90 Tage Thiès - besser spät als nie
- Jana Schmitt
- 4. Dez. 2019
- 5 Min. Lesezeit
Einer meiner Vorsätze für mein Jahr in Senegal war, regelmäßig zu bloggen. Und jetzt sitze ich hier und sehe, dass schon fast ein Monat vergangen ist, seitdem ich mich das letzte mal gemeldet habe. Das liegt wahrscheinlich mittunter daran, dass mittlerweile schon so Vieles zum Alltag geworden ist, dass es mir gar nicht mehr nennenswert erscheint. Auch Bilder mache ich sehr viel weniger als noch zu Beginn unserer Zeit hier. Ich merke, wie ich mich auch schon visuell ans neue Umfeld gewöhnt habe: die vielen Müllberge, aber auch Tierherden auf der Straße oder streunende Tiere, nehme ich schon fast gar nicht mehr wahr. Selbst Tag für Tag die bettelnden Straßenkinder zu sehen, wird (so unpassend das auch klingen mag) irgendwie erträglicher. Sie fügen sich einfach ins das Gesamtbild ein.
In den vergangenen Wochen haben wir uns öfters mal wieder die Zeit genommen, unsere Stadt zu entdecken und haben festgestellt, dass es doch noch den ein oder anderen Spot gibt, den wir noch nicht kannten. Eigentlich ja ganz normal bei einer 300.000 Einwohner Stadt. Für mich ist Thiès aber immer eher wie ein großes Dorf. Der Stadtcharakter, wie wir ihn kennen (Hochhäuser, Einkaufszentren, Touristen,...) ist nicht wirklich bis nahezu gar nicht ausgeprägt. Stattdessen gibt es überall kleine, nicht geteerte Sandgassen, nachbarschaftliche Quartiers (also Wohnviertel; unseres heißt Petit Thiarly) und kleine "Boutiquen", also 4-5 qm große Lädchen, die die wichtigsten Grundnahrungsmittel wie Reis, Nudeln und Baguette anbieten (vergleichbar mit unseren Spätis).
Alles weit weg von der anonymen, hektischen Großstadt. Wobei: Das stimmt so nicht ganz! Hektisch kann es allemal werden auf den Straßen - und vor allem auf dem Markt. Da hier nur wenige Menschen ein eigenes Auto besitzen, wird meist auf den Bus oder auf Taxis zurückgegriffen, um weitere Strecken innerhalb von Thies zurückzulegen. Dementsprechend wimmelt es nur so von den schwarz-gelben (teilweise sehr ramponierten) Gefährten und den weißen, oft gnadenlos überfüllten Mini-Bussen, die sich die Straßen mit Esel- und Pferdekutschen sowie den Jakartas (Motorräder, vergleichbar mit Taxis) teilen. Anders als bei uns ist die Taxifahrt wirklich erschwinglich: Für Fahrten innerhalb von Thies zahlt man 500 CFA, was ungefähr 80 Cent entspricht. Anfangs gab es noch mehrere Taxifahrer, die versucht haben, von uns Toubabs (Weißen) das Doppelte zu verlangen, aber mittlerweile kennen wir zum Glück die Preise und können das auch auf wolof kommunizieren.
Auf dem zentral bei der Kathedrale gelegenen Markt findet man wirklich fast alles, was man sucht. Von Haushaltswaren und Drogerieprodukten, über elektronische Geräte und Schreibwaren, bis hin zu einer endlos großen Auswahl an Kleidung, Schuhen und wunderschönen Stoffen. Anders als in Deutschland ist es ganz üblich, sich meterweise Stoff zu kaufen, um mit diesem dann anschließend beim Schneider ein Kleidungsstück in Auftrag zu geben (das haben wir diese Woche auch das erste Mal ausprobiert). Denn neben der traditionellen Alltagskleidung, braucht man auch noch für jeden Anlass ein neues Kleid, wie uns erklärt wurde. Für uns bedeutet das wohl in nächster Zeit viele Besuche beim Schneider. Auf Weihnachten folgt für uns nämlich noch am 4. Januar die kirchliche Hochzeit unseres Gastbruders Paul, die mit über tausend Gästen und über zwei Tage gefeiert wird. Das wird sicherlich ein einmaliges Erlebnis!
An den großen Alles-was-das-Herz-begehrt-Markt grenzt der Lebensmittel-Markt. Hier kauft auch der Großteil der Bevölkerung ein, da die Alternative Supermarkt nur für die reichen Menschen erschwinglich ist. Zwiebeln, Reis, Fleisch&Fisch, Gemüse (Auberginen, Tomaten, Karotten, Kohl, Baobab, Kartoffeln, Piment...) und Obst (Orangen, Bissap, Bananen und je nach Saison Papayas, Mangos, Melonen, Kokosnüsse, usw) - man findet wirklich alle Zutaten der senegalesischen Küche. Haben wir doch mal Lust auf etwas europäischere Speisen, kommen wir um den Supermarkt nicht herum.
Gar nicht weit vom Markt entfernt befindet sich eine Teppichmanufaktur, die wir besichtigen durften und die weit über die Grenzen des Senegal hinaus bekannt ist. Hier werden in mühevoller Handarbeit Boden- und Wandteppiche kunstvoll hergestellt und in die ganze Welt verkauft. Bis zu 10 Monaten dauert die Herstellung und das Endergebnis ist - berechtigterweise - nicht gerade günstig. Ungefähr 1800€ kostet umgerechnet ein Quadratmeter eines Wandteppichs, was ihn bei einer durchschnittlichen Größe von 8-10 Quadratmetern schnell ein kleines Vermögen wert macht.
Es war wirklich eindrucksvoll die Entstehung eines solchen Kunstwerkes vom Kundenwunsch, über das Design bis hin zur Herstellung und den letzten Schliff verfolgen zu können.




Der November war ein unglaublich eindrucksvoller und vollgepackter Monat. Was unser Mentor, Abbé Ousario uns prophezeit hat, wurde bis jetzt wirklich wahr: "Vous allez fêter chaque week-end jusqu´à janvier!" (Bis Januar werdet ihr ununterbrochen feiern). Wir kamen in der Tat nur selten zur Ruhe am Wochenende. Schon zwei Gruppen aus Deutschland durften wir in Thiès begrüßen und während ihrer Zeit hier als "Fast-locals" und "Thies-Guides" begleiten. Eine davon war eine dreiköpfige Delegation aus Bamberg, die auf Grundlage der Diözesenpartnerschaft zwischen Bamberg und Thiès im vergangenen Jahr ein Projekt über körperliche und sexuelle Aufklärung initiiert hat. Die drei Frauen waren da, um ihre ausgebildeten Peers (Biologie LehrerInnen, JugendvertreterInnen, etc.) auf den neuesten Stand zu bringen und um die Fortschritte des Projekts zu dokumentieren. Es war wirklich spannend, einen Einblick in ihre Arbeit und die Herangehensweise an das Thema Aufklärung (in Deutschland und in Senegal) zu bekommen, das hier auf diese Art und Weise noch viel zu wenig oder gar nicht an Kinder und Jugendliche vermittelt wird.

Die andere Gruppe bestand aus unseren Chefinnen vom eja Bamberg, die hier in Thies die Einsatzstellen besichtigt haben, aber auch unsere Gastfamilie und unsere Ansprechpartner vor Ort kennenlernen durften. Am Wochenende ihrer Anreise fand dann auch noch das große Jubiläum "50 Jahre Diözese Thiès" statt, dem die ganze christliche Gemeinde hier schon seit Monaten entegenfieberte. Aber dazu mehr in einem separaten Blogartikel (der hoffentlich nicht so lange auf sich warten lässt).

Eines meiner persönlichen Highlights im November war aber der Empfang in der deutschen Botschaft in Dakar, zu dem anlässlich des Tags der Deutschen Einheit alle Deutschen mit dauerhafter Aufenthaltsgenehmigung im Senegal eingeladen waren. Wir waren bereits einige Tage vorher in der Residenz des Botschafters eingeladen worden und konnten Ihn dort in kleinerem Rahmen kennenlernen. Beim Empfang selbst wimmelte es dann nur so von deutschen Botschaftsmitarbeitern, AuslandsmitarbeiterInnen in der Entwicklungszusammenarbeit, Mitgliedern der Bundeswehr, und, und, und. Nachdem wir uns bei unserer Ankunft noch gewundert haben, wer denn diese seltsamen Herren mit Cowboyhüten und breitem Gang seien, wurde uns später gesagt, dass das doch tatsächlich der Gitarrist und Bassist von TheBossHoss sind. Das erklärte dann zumindest die Hüte...



Es war auf jeden Fall sehr schön, neue Leute kennenzulernen (unter anderem auch andere Freiwillige) und - nicht zu vergessen - das unglaublich leckere (und deutsche!) Buffet auszunutzen.
Neben dem ein oder anderen Strandausflug, standen zudem noch ein paar Essenseinladungen und Partynächte an. Langweilig war uns jedenfalls nicht - und wird es wohl vorerst auch nicht.
In diesem Sinne:
Ba bene yone, Jana
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