50 Tage Thiès – ein Update aus dem Lehrerzimmer
- Jana Schmitt
- 28. Okt. 2019
- 3 Min. Lesezeit
Drei Wochen habe ich jetzt bereits geschafft. Drei Wochen am Collège St. Gabriel in Thiès, wo ich für das kommende Jahr Deutsch unterrichten werde. Und drei Wochen, in denen ich meine Fähigkeit, Namen und Gesichter zu merken, das ein oder andere Mal anzweifeln musste (und immer noch muss….).
Am 3. Oktober hat für die senegalesischen Schüler das neue Schuljahr begonnen und damit für mich nach fast einem Monat Sprachkurs und Eingewöhnungsphase auch endlich die Arbeit. Hier am Collège St. Gabriel, einem katholischen Gymnasium, lernen rund 2500 christliche und muslimische Jugendliche. Das ist eine ziemlich große Zahl, wenn man gerade aus einer Schule kommt, an der gerade einmal knapp 700 SchülerInnen waren. Auch das Schulgelände ist riesig. 7 Gebäude, die die Klassenzimmer der unterschiedlichen Klassenstufen beherbergen.
Das Schulsystem gleicht dem Französischen: Nach dem „école maternelle“ (Kindergarten; 3-6 Jahre) gehen die Kinder zunächst wie in Deutschland vier Jahre ins „école élémentaire“ (Grundschule, 6-11 Jahre). Anschließend besuchen sie das „Collège“ (11-15 Jahre), beginnend in der „sixième“, die bei uns der fünften Klasse entspricht, gefolgt von „cinquième“, „quatrième“ und „troisième“. Es wird also mit dem Voranschreiten der Klassenstufen abwärts gezählt. Um das Abitur zu erhalten, muss ans „Collège“ das „Lycée“ angehängt werden, das am St. Gabriel aber sowieso integriert ist. Es folgen die Klassen „Seconde“, „Première“ und die Abschlussklasse „Terminale“. So viel zur Theorie des Schulsystems hier.
Mein erster Tag war noch recht entspannt. Es wurde eine große Willkommenszeremonie mit allen SchülerInnnen auf dem Pausenhof gefeiert, wo verschiedene Lehrer und Geistliche (christliche Schule!), sowie der neue Direktor allen einen guten Start ins neue Jahr wünschten. Anschließend wurde – wie jeden Montag – die Flagge gehisst und die Nationalhymne angestimmt.
Der Unterricht begann erst am darauffolgenden Montag, was aber nicht heißt, dass ich bis dorthin nichts zu tun hatte: Für alle neuen und jungen Lehrer fand von Freitag bis Samstag ein Seminar statt, das sich mit allen möglichen Themen und Methoden auseinandersetzte. Und so sehr ich mich jetzt auch schäme, das zuzugeben: Mit so viel Pädagogik und Fachwissen hätte ich nicht gerechnet. In solchen Momenten wird mir immer wieder bewusst, was für ein falsches Bild von Afrika uns oft vermittelt wird. Angefangen genau damit: Afrika über einen Kamm zu scheren und nicht zu unterscheiden zwischen all den Ländern und Kulturen, die – ohne nun rassistisch gegenüber anderen Kontinenten zu sein – wahrscheinlich weitaus vielfältiger sind, als die europäischen. Und mir fällt auf, dass ich manchmal selbst unabsichtlich dieses Schubladendenken habe, obwohl das genaue Gegenteil meine Absicht ist. In dieser Hinsicht muss ich mich immer wieder zwingen, sensibler zu denken und zu handeln und keine vorschnelle Urteile zu fällen.
Das Seminar jedenfalls hat mir wirklich geholfen, neue Kontakte im Kollegium zu knüpfen, mehr über das Unterrichten und die Herangehensweise an die Wissensvermittlung hier zu erfahren und mich ein Stück weit auf die kommende Woche vorzubereiten. Denn meine Pläne, Methoden und Ideen, die ich mir bereits im Vorfeld zurechtgelegt hatte, waren nahezu utopisch, wie ich im Nachhinein feststellen sollte.
Dass die Ausstattung hier nicht der deutschen entspricht, dessen war ich mir natürlich bewusst. Hier stehen keine Computer, Beamer, Overhead Projektoren oder Lautsprecher zur Verfügung. Auch Kopieren stellt sich gerade als kleine Odyssee heraus (vor allem wenn man keinen Drucker hat!). Alle Übungsaufgaben und der Lernstoff muss also entweder diktiert (bei kleineren Klassen, die die Sprache erst lernen, eher problematisch) oder an die Tafel geschrieben werden, was alles sehr zeitintensiv ist. Das alles macht es gar nicht so leicht, seinen Unterricht abwechslungsreich zu gestalten und die Methoden zu variieren, vor allem wenn noch dazu kommt, dass meine Klassen eine durchschnittliche Klassenstärke von 60 SchülerInnen aufweisen.
Aber mich hier zu beschweren oder zu jammern ist sicherlich nicht meine Absicht. Im Gegenteil, die Arbeit am Collège macht mir unglaublich viel Spaß und erfüllt mich sehr. Ich habe meine SchülerInnen schon sehr ins Herz geschlossen, obwohl ich noch nicht einmal alle Namen kenne. Aber bei sieben Klassen dieser Klassenstärke (und bei der Fülle an arabischen Namen, die ich teilweise auch nach der fünften Nachfrage nicht verstanden habe) bin ich nicht so streng mit mir und gebe mir noch ein paar Wochen Zeit.
Im Lehrerkollegium wurde ich auch super aufgenommen und alle versuchen eifrig, aus mir ein Wolof-Pro zu machen. Von den vier Deutschlehrern hier wird mir sehr viel zugetraut, worüber ich sehr dankbar bin. Und tatsächlich habe ich jetzt auch meine eigene Kreidebox – das Lehrerfeeling ist also perfekt.
Ich melde mich bald wieder mit Updates aus „Janas ultimativem Schulwahnsinn“ (Achtung Allusion!)
Ba bene yone, Jana
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